Katzen sind keine kleinen Hunde!

Foto:  DoraZett/Fotolia
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Von Michaela Asmuß

 

Die Katze hat dem Hund als beliebtestes Haustier der Deutschen schon lange den Rang abgelaufen. Dennoch ist immer noch nicht so viel über das Verhalten unserer Stubentiger bekannt, wie es bei Hunden der Fall ist. Vielleicht resultiert auch daher die Annahme, dass Katzen sich doch eigentlich wie kleine Hunde benehmen würden. Bei meinen Verhaltensberatungen erlebe ich immer wieder, dass Menschen die Signale ihrer Katze falsch interpretieren. So kommt es schnell zu Missverständnissen. Das muss nicht sein. Hier möchte ich über die drei häufigsten Fehlannahmen aufklären.

 

Vorweg

 

Die falschen Einschätzungen beruhen oft auf der Dominanztheorie, die besagt, dass es in einem Hunderudel eine strikte Rangordnung gibt. Dieses Dominanzkonzept ist allerdings gar nicht mehr aktuell. Durch Beobachtungen an wilden Wolfsrudeln hat sich gezeigt, dass hier eine Familienstruktur zugrunde liegt, in der jedes Tier seine Aufgabe hat. Die Eltern leiten das Rudel an, lehren es und passen auf die Mitglieder auf. Bei Wölfen wie auch bei Hunden muss man daher inzwischen von einer komplexeren sozialen Struktur ausgehen, als einem reinen Rangordnungssystem. Dennoch hält sich die Theorie hartnäckig und führt auch zu Fehlinterpretationen bei Katzengruppen.

 

Irrglaube Nr. 1: die dominante Katze

 

In Haushalten mit mehreren Katzen hört man häufig, dass eine Katze „dominant“ sei oder „das Sagen“ habe. Als Anhaltspunkte dienen oft punktuelle Beobachtungen: Eine Katze frisst den anderen das Futter weg, eine Katze drängelt sich immer beim Kuscheln vor, eine Katze verteidigt ihren Lieblingsplatz. Das alles ist aber kein Hinweis auf ein dominantes Tier. Beobachtet man die Gruppendynamik weiter, erkennt man oft, dass das vorgeblich ranghöchste Tier in anderen Situationen sehr wohl nachgibt oder sogar gemobbt wird.

Unsere Hauskatzen sind in der Lage, soziale Gruppenstrukturen auszubilden. Je mehr Ressourcen vorhanden sind, desto besser können sich die Tiere untereinander organisieren. Natürlich sind Rangeleien in der Gruppe nicht ausgeschlossen, doch eine Rangordnung mit einer starren Hierarchie gibt es nicht. In einem Haushalt mit mehreren Katzen gibt es vielmehr eine Menge Absprachen. Gibt es etwa eine begehrte Liegefläche in der Wohnung, besteht hier häufig eine Art „Time-Sharing“: Ich liege hier vormittags nach dem Essen und du kannst dann am Nachmittag hier liegen. Diese Vereinbarungen sind sehr hilfreich, um Kämpfe zu vermeiden. Und je nach Bedürfnis, ist mal die eine Katze am Zug, mal die andere. So spielt sich mit der Zeit ein bestimmtes System in einer Katzengruppe ein. Kommt eine neue Katze in diese Gruppe, müssen alle Arrangements neu ausgehandelt werden, das geht nicht immer ohne Streit. Daher sollte man eine neue Katze nicht nur sorgfältig auswählen und langsam und behutsam in eine bestehende Gruppe integrieren, sondern in einem Mehrkatzenhaushalt immer auch genügend wichtige Ressourcen wie Futter, Ruhe- und Schlafplätze, Katzenklos, Kratz- und Klettermöglichkeiten und natürlich Spiel- und Kuschelzeit mit dem Menschen vorhalten.

 

Irrglaube Nr. 2: der Mensch, das Alpha-Tier

 

Eine weitere Annahme, die auf dem Dominanzkonzept beruht: Ich muss der Katze zeigen, dass ich die „Alpha-Katze“ bin. Der Irrglaube, dass ein Haustier auf den Menschen zu hören habe und sich unterordnen müsse, hat für Hunde wie auch für Katzen schlimme Folgen. Denn um die Rangordnung festzulegen, wird mit Bestrafung gearbeitet: Schreien, in die Hände klatschen oder ein lautes „Nein“ sind da noch die harmloseren Varianten, um die Katze zu „erziehen“. Abgesehen davon, dass Bestrafung nicht zielführend ist, hat das oft schlimme Folgen: Die Beziehung zwischen Katze und Mensch verschlechtert sich, die Katze wird ängstlich oder aggressiv. Und vermutlich macht sie mit dem unerwünschten Verhalten dennoch weiter, nur einfach nicht mehr, wenn der Mensch anwesend ist. Um ein Verhalten abzustellen, ist es daher sinnvoller und vor allem tierfreundlicher, mit positiver Verstärkung zu arbeiten, indem man erwünschtes Verhalten belohnt.

 

Irrglaube Nr. 3: Unterwerfung

 

Die Katze rollt sich auf den Rücken – sie ist demütig und unterwirft sich. Auch diese Interpretation des kätzischen Verhaltens ist aus dem Hundebereich abgeleitet. Doch Katzen kennen keine Unterwerfungsgesten. Wenn es sein muss, kämpfen sie – und zwar mit allen Waffen, die ihnen zur Verfügung stehen. Das sind die Zähne und die Krallen. Rollt sich eine Katze auf den Rücken, kann sie alle Waffen perfekt einsetzen. Je nach Kontext kann das Bauchzeigen aber auch andere Bedeutung haben: Junge Katzen fordern so zum Spiel auf. Ruht eine Katze und dreht sich dabei auf den Rücken, fühlt sie sich sicher und zufrieden. Bitte aber jetzt nicht der Versuchung erliegen und den Bauch streicheln, auch wenn es noch so verlockend ist. Das gleiche gilt, wenn sich die Katze zur Begrüßung auf den Rücken rollt. Sonst kann es passieren, dass die eben noch so süße Miez ihre Krallen in der Hand versenkt.

 

Fazit

 

Das Zusammenleben mit unseren Katzen sollte durch Achtsamkeit und Respekt geprägt sein. Wer seine Samtpfote als eigene Persönlichkeit mit individuelle Bedürfnisse sieht und diese Bedürfnisse artgerecht befriedigt, kann eine lebenslange Freundschaft aufbauen, ganz ohne Dominanz und Kontrolle.


Mein Name ist Michaela Asmuß. Seit April 2017 bin ich mit meiner mobilen Katzenpraxis ThinkCat im Rhein-Main-Gebiet tätig.

 

Schon als Kind wünschte ich mir eine Katze, doch hatten wir damals freifliegende Wellensittiche und meine Eltern waren – wie ich heute weiß – so vernünftig, keine Katze ins Haus zu holen. Mit dem Studium begann dann meine Katzenzeit. Unsere WG-Katzen Charly und Momo waren ein super Team und vor allem Momo war meine kleine Herzenskatze. Es folgte Emma und nach einiger Zeit kam Jule als zweite Katze dazu. Die kleine, traumatisierte Jule war dann auch der Auslöser für mich, mich wieder mehr mit dem Thema Katzen und ihrem Verhalten zu befassen. Es folgte eine dreijährige Ausbildung beim Cat Institute Birga Dexel.

 

Julchen ist leider 2015 an Krebs gestorben, und auch ihre Nachfolgerin Amy hatte wohl schon den Krebs in sich, als wir sie holten. Seit Mai 2017 bereichert nun Katzen-Opa Mikki unser Leben. Und Emma ist mit ihren inzwischen 17 Jahren als rüstige, fröhliche und aufgeweckte Rentnerin immer noch an unserer Seite. Diese beiden Katzensenioren sind selbst im hohen Alter noch voller Lebensfreude und lassen mich jeden Tag aufs Neue staunen über diese sensiblen und einfühlsamen Tiere.

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